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Was bedeutet eigentlich … Langzeitarchivierung?

Langzeitarchivierung ist ein relativer Begriff

Merkwürdige Frage, oder? Ist doch klar, dass damit unmissverständlich und ausschließlich die Haltbarmachung und Aufbewahrung einer Sache oder eines Inhaltes über einen möglichst langen Zeitraum gemeint ist. So einfach ist es in der Digitalisierung jedoch nicht. Mit dem Archivieren sind vor allem Archive, Bibliotheken und Museen betraut. Ein zentrales Anliegen dieser sog. Gedächtniseinrichtungen ist es, Dokumente und Artefakte zu erfassen, zu erhalten, nutzbar bzw. verfügbar zu machen und sie zeitlich unbegrenzt aufzubewahren. Was aber heißt `zeitlich unbegrenzt´?

Langzeitarchivierung ist ein relativer Begriff

Aus königlichen Archiven in Mesopotamien sind beschriftete Tontafeln erhalten, die über 6.000 Jahre alt sind. Auch Inhalte auf Stein, Papyrus, Wachstafeln, Pergament und Papier können nach Hunderten von Jahren noch vorhanden und lesbar sein. Vom Mikrofilm, den es seit ca. 1860 gibt, heißt es, er könne bis zu 500 Jahre aufbewahrt und gesichtet werden. Bei den meisten modernen Materialien und Verfahren sind die Lebenszyklen jedoch bedeutend kürzer. Während Fotopapier und fotografischer Film noch auf deutlich mehr als 100 Jahren kommen, lässt die Speicherkapazität bei Schellack- und Vinylplatten bereits nach mehreren Jahrzehnten nach. Magneto-optische Verfahren, die z.B. bei Magnetbändern, VHS- und Compact-Cassetten oder Floppy-Discs angewendet wurden, ermüden schon nach 20 bis 30 Jahren.
Bei digitalen Datenträgern fällt die Bilanz noch schwächer aus: Während die Blu-Ray-Disc es auf fünf Dekaden bringen kann, versagen CD oder DVD nach längstens 30 Jahren, gebrannte CD oft nach fünf bis zehn. Auch USB-Sticks und SD-Speicherkarten tragen ihre Informationen nur zehn bis 30 Jahre. Absolut kurzlebig sind Festplattenlaufwerke, die je nach Beanspruchung zwei bis höchstens zehn Jahre zuverlässig arbeiten. (Anm. 1) Von langfristiger Haltbarkeit im Sinne von Gedächtnisinstitutionen kann bislang nicht die Rede sein. Nüchtern bilanziert das Projekt „Digital Preservation Europe” (DPE) 1996: „After almost two decades of setting digital preservation research agendas there is little evidence of actual progress in the development of solutions.” (Anm. 2)

`Digitale Langzeitarchivierung´ ist ein ständiger Arbeitsauftrag

Archive, Museen und Bibliotheken, die sich den Herausforderungen der Langzeitarchivierung stellen, sollten mit Blick auf die notwendigen technischen, finanziellen und organisatorischen Maßnahmen wissen: „Langzeit ist die Umschreibung eines nicht näher fixierten Zeitraumes, währenddessen wesentliche nicht vorhersehbare technologische und soziokulturelle Veränderungen eintreten, die sowohl die Gestalt als auch die Nutzungssituation digitaler Ressourcen in rasanten Entwicklungszyklen umwälzen werden. (…) `Langzeit´ bedeutet für die Bestandserhaltung digitaler Ressourcen nicht die Abgabe einer Garantieerklärung über fünf oder 50 Jahre, sondern die verantwortliche Entwicklung von Strategien, die den beständigen, vom Informationsmarkt verursachten Wandel bewältigen können.“ (Anm. 3)

Nützliche Publikationen

Ein zentraler Akteur auf dem Feld der Digitalisierung und Langzeitarchivierung ist nestor. In der Jahresplanung 2017 des Netzwerkes heißt es: „Das ursprüngliche Ziel, Problembewusstsein für die Herausforderungen der Langzeitbewahrung digitaler Artefakte zu erzeugen und skalierbare Lösungsstrategien wie Emulation in den entsprechenden Kreisen vorzustellen konnte erreicht werden. Jetzt gilt es, den Dialog zwischen verschiedenen Stakeholdern und Akteuren weiter zu befördern, verstärkt in Praxisprojekten zu beraten sowie Ressourcen zur Verfügung zu stellen.“ (Anm. 4) Konkrete Unterstützung bietet z.B. die Reihe „nestor Thema – aktuelle Kurzartikel aus der Praxis“. Im Jahr 2016 sind vier neue Beiträge erschienen, zwei zur Langzeitarchivierung: „Rechteauszeichnung in der Langzeitarchivierung“ und „PDF in der Langzeitarchivierung“. Die Beiträge, die maximal zwei DIN A4-Seiten umfassen, spiegeln praktische Erfahrungen mit Abläufen und Werkzeugen der Langzeitarchivierung, geben Tipps und leisten Hilfestellungen.
Weitere Informationen: http://www.dnb.de/Subsites/nestor/SharedDocs/Downloads/berichte/jahresplanung2017.html

Dr. Berthold Schmitt, Herausgeber der Fachzeitschrift KulturBetrieb

Anm. 1: Adrian Meyer, Bitte aufheben! Ohne Speichermedien ist menschliche Kultur kaum möglich. Von der Höhlenmalerei zur Holo-Disc – die Informationsdichte ist enorm gewachsen. Dabei veralten die Träger der Daten immer schneller. Ein historischer Überblick über die Techniken der Archivierung, in: DIE ZEIT, Nr. 42, 10.10.2013, S. 37.
Anm. 2: Zitiert nach Heinz Werner Kramski, Digitale Dokumente im Archiv, in: Handbuch Archiv. Geschichte, Aufgaben, Perspektiven; hrsg. von Marcel Lepper und Ulrich Raulff, Stuttgart 2016, S. 179-197.
Anm. 3: Ute Schwens und Hans Liegmann, Langzeitarchivierung digitaler Ressourcen, in: Grundlagen der praktischen Information und Dokumentation; hrsg. von Rainer Kuhlen, Thomas Seeger und Dietmar Strauch, 5., völlig neu gefasste Ausgabe; Bd. 1: Handbuch zur Einführung in die Informationswissenschaft und -praxis, München 2004, S. 567-570.
Anm. 4: nestor – Jahresplanung 2017, 02.03.2017, Quelle: http://www.dnb.de/Subsites/nestor/SharedDocs/Downloads/berichte/jahresplanung2017.html; Abfrage: 09.03.2017; mehr zu nestor finden Sie in dem Beitrag „Digitale Langzeitarchivierung. Leitfaden zur Erhaltung audiovisueller Medien“ in vorliegender Ausgabe von KulturBetrieb.

Dieser Beitrag ist erstmals erschienen in KulturBetrieb, eins 2017, S. 76-77.

Zum Magazin: http://www.kulturbetrieb-magazin.de/fileadmin/user_upload/kulturbetrieb-magazin/magazin/KulturBetrieb-2017-Ausgabe-1-April.pdf