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Provenienzforschung. Was? Wer? Wie?

Eine neues Kompendium

Ist bei der Entstehung unserer Sammlungen und Bestände alles mit rechten Dingen zugegangen? Diese Frage beschäftigt auch hierzulande immer mehr Archive, Bibliotheken und Museen – sei es aus einem eigenen Interesse oder aufgrund externer Impulse. Hier ist u.a. der Appell „Öffnet die Inventare!“ vom Herbst 2019 zu erwähnen, in dem mehr als 100 Unterzeichnende einen „unbeschränkten und unkontrollierten Zugang“ zu den Bestandsverzeichnissen deutscher Museen fordern. (Anm. 1) Mit der Zunahme der Bereitschaft, sich womöglich unangenehmen Entdeckungen und – sofern es zu Rückgaben kommt – auch schmerzlichen Konsequenzen zu stellen, ist zugleich die Erkenntnis gewachsen, dass Provenienzforschung eine komplizierte, zeitaufwändige und kostenintensive Tätigkeit sein kann. Die Mehrzahl der Kultureinrichtungen in Deutschland wird diese Herausforderung nicht allein stemmen können, sondern auf Rat, Hilfe und Unterstützung Dritter angewiesen sein, nicht nur in finanzieller Hinsicht. Der im Oktober 2019 vorgelegte „Leitfaden Provenienzforschung“ des Deutschen Zentrums für Kulturgutverluste (DZK) möchte dazu einen Beitrag liefern.

Praxisorientierter Werkzeugkasten

„Der Leitfaden zur Provenienzforschung für Kulturgut, das während der nationalsozialistischen Herrschaft verfolgungsbedingt entzogen wurde, dient als praxisorientier Werkzeugkasten für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Museen, Bibliotheken und Archiven, für den Kunst- und Antiquariatshandel und auch für private Sammlungen. Wer Zweifel an der Provenienz von Kulturgütern in den eigenen Beständen hat – egal, ob Gemälde, Skulptur, Buch, Münze, Porzellan, Grafik oder Silberbesteck – findet im Leitfaden das nötige Instrumentarium: praktische Hinweise, Fallbeispiele sowie alle wichtigen Adressen, Quellen und Internetzugänge.“ (Anm. 2)

Der DZK-Leitfaden ist nicht die erste und einzige Orientierung dieser Art. Im September 2018 hat die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM) eine Empfehlung zur Provenienzprüfung beim Erwerb von Kulturgütern durch vom Bund geförderte kulturgutbewahrende Einrichtungen herausgegeben. Hauptaugenmerk der Empfehlung sind gründliche Überprüfungen vor Kauf, Schenkung oder Annahme von Dauerleihgaben. (Anm. 3) Mitte 2019 hat der Deutsche Museumsbund (DMB) die zweite Fassung „Leitfaden zum Umgang mit Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten“ vorgelegt. Die Publikation nennt Adressaten und erläutert Begrifflichkeiten, stellt Kategorien kolonialer Kontexte vor, gibt vertiefende Erläuterungen zum europäischen Kolonialismus, zur Sammlungsgeschichte der Museumssparten, zur Provenienzforschung sowie zu rechtlichen Aspekten und liefert konkrete Handlungsempfehlungen. (Anm. 4) Parallel dazu haben Bund, Länder und Kommunen im Dezember 2019 die Neufassung der „Handreichung zur Umsetzung der `Erklärung der Bundesregierung, der Länder und der kommunalen Spitzenverbände zur Auffindung und zur Rückgabe NS-verfolgungsbedingt entzogenen Kulturgutes, insbesondere aus jüdischem Besitz´ vom Dezember 1999´“ vorgelegt. Die überarbeitete Fassung „konzentriert sich stärker als bisher auf eine grundlegende Darstellung der politischen Aspekte der Aufarbeitung des NS-Kulturgutraubs. Sie soll an das Thema heranführen, die Wichtigkeit des Anliegens verdeutlichen und gerade auch diejenigen ansprechen, die bisher mit der Thematik nicht oder wenig befasst waren.“ (Anm. 5)

Der nun vom DZK herausgegebene Leitfaden erhebt den Anspruch, eines „Kompendiums mit praktischen Hinweisen, Fallbeispielen, Adressen und (Internet-) Quellen. (…) Die Autoren des Bandes haben an der wissenschaftlichen, methodischen und praktischen Entwicklung des Feldes in den letzten Jahren entscheidenden Anteil gehabt und bringen hier ihre reichen Erfahrungen ein.“ (Anm. 6) Auswahl aus dem Inhalt: Kapitel 2 befasst sich mit dem Weg „Von der Identifizierung von Verdachtsmomenten zur systematischen Provenienzforschung“. Es folgen „Methoden der Provenienzforschung“ (Kap. 3), „Ergebnisse der Provenienzforschung“ (Kap. 4) und „Provenienzforschung als Grundlage für `gerechte und faire Lösungen´“ (Kap. 5) sowie schließlich „Vernetzung und Institutionalisierung“ (Kap. 6). Nicht enthalten in dem Leitfaden sind andere Felder Provenienzforschung, darunter Kriegsverluste, Enteignungen in der Sowjetischen Besatzungszone und der DDR oder Kulturgüter aus kolonialen Kontexten.

Der DZK-Leitfaden wurde gemeinsam erarbeitet mit Arbeitskreis Provenienzforschung e.V., Arbeitskreis Provenienzforschung und Restitution – Bibliotheken, Deutscher Bibliotheksverband e.V., Deutscher Museumsbund e.V. und ICOM Deutschland e.V.

Leitfaden Provenienzforschung zur Identifizierung von Kulturgut, das während der nationalsozialistischen Herrschaft verfolgungsbedingt entzogen wurde, Magdeburg 2019, 135 S.

Download: www.kulturgutverluste.de/leitfaden
ISBN 978-3-9821420-1-2 (kostenfrei)

Anm. 1: Öffnet die Inventare! Ein Appell, das vorhandene Wissen zu afrikanischen Objekten in deutschen Museen endlichen frei zugänglich zu machen, in: Die ZEIT, 17.10.2019, S. 64
Anm. 2: Leitfaden „Provenienzforschung“, in: Deutsches Zentrum Kulturgutverluste; Quelle: https://www.kulturgutverluste.de/Webs/DE/Recherche/Leitfaden/Index.html ; Abfrage: 18.03.2020
Anm. 3: Vgl. Empfehlung zur Provenienzforschung beim Kulturguterwerb; Quelle: https://www.bundesregierung.de/Content/DE/_Anlagen/BKM/2018/2018-09-18-empfehlung-provenienzforschung-bei-kulturguterwerb.pdf?__blob=publicationFile&v=1 ; Abfrage: 18.03.2020
Anm. 4: Vgl. Deutscher Museumsbund, Publikationen; Quelle: https://www.museumsbund.de/publikationen/leitfaden-zum-umgang-mit-sammlungsgut-aus-kolonialen-kontexten/ ; Abfrage: 18.03.2020
Anm. 5: Die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien, Berlin 2019; Quelle: https://www.kulturgutverluste.de/Content/08_Downloads/DE/GRundlagen/Handreichung/Handreichung.pdf?_blob=publicationFile&v=6 ; Abfrage: 18.03.2020
Anm. 6: Leitfaden „Provenienzforschung“, a.a.O.

Dieser Beitrag wurde erstmals publiziert in KulturBetrieb, eins 2020, S. 48 f.