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Dichtheitsmessungen von Museumsvitrinen – Quo vadis?

Über den Umgang mit Luftwechselrate und Dichtheitsmessungen von Museumsvitrinen

Die Aufgaben von Museumsvitrinen sind bekanntermaßen sehr vielfältig. Neben der Präsentation steht unter anderem der Schutz der Objekte vor Umwelteinflüssen im Fokus. Dafür ist die Dichtheit der Vitrinen ein maßgeblicher Faktor – diese Größe sowie die Handhabung des linearen und nichtlinearen Austauschgesetzes sollen hier kritisch hinterfragt werden.

Ausgangssituation

Mit dem steigenden Anspruch an die Funktionen und Aufgaben von Vitrinen haben sich in den letzten Jahren Herausforderungen gestellt, die bei früheren, stark belüfteten „Glasstürzen“ keine Rolle spielten. Ein Parameter wie die Luftwechselrate mit der Umgebungsluft (LWR oder AER – Air Exchange Rate), die angibt, wie oft pro Zeiteinheit das Luftvolumen der Vitrine ausgetauscht wird, rückte in den Vordergrund. Während in der Gebäudetechnik – von dieser Disziplin stammt der Begriff – das Ziel oftmals darin liegt, eine möglichst hohe Luftwechselrate zu erzielen, werden für Kunstvitrinen sehr geringe Luftwechselraten (etwa 0,1 pro Tag) gefordert. Das Innere der Vitrine entwickelte sich aufgrund der geringen Luftwechselrate zunehmend zu einem „Raum im Raum“. (Anm. 1)

Wie wird die Luftwechselrate ermittelt?

Ein Indikatorgas wie z.B. CO2 wird in ein Raumvolumen (hier Vitrine) eingebracht, bis eine gewünschte Startkonzentration erreicht ist. Mit einem Messgerät wird die Konzentration des Indikatorgases aufgezeichnet, meist in ppm. Über die Messdauer von einigen Stunden bis zu mehreren Tagen entweicht das Indikatorgas aus dem Raumvolumen. Aus dem Abfall der Konzentration des Indikatorgases kann die Luftwechselrate berechnet werden.

Auswertung der Ergebnisse

Wichtig bei der Auswertung der Messergebnisse ist, die Richtigkeit der Annahme des physikalischen Austauschgesetzes zu überprüfen. In vielen Fällen wird zur Auswertung der Messergebnisse und der Berechnung der LWR das lineare Austauschgesetz herangezogen, das unter den geeigneten Bedingungen auch zu korrekten Ergebnissen der LWR führt.

 

Das lineare Austauschgesetz führt zu einem systematischen Fehler: Unterschiedliche LWR für ersten und zweiten Teil der Messung.
© Strecha, 2012


Kommt es jedoch zu Abweichungen vom linearen Austausch, so kann das lineare Austauschgesetz nicht herangezogen werden und die damit ermittelten Werte sind physikalisch wertlos. Wie das Beispiel zeigt, erfolgt bei der Messung der Austausch nicht linear und somit erhält man zwei unterschiedliche Ergebnisse, wenn der erste und zweite Teil der Messung getrennt voneinander betrachtet werden.

 

Das nichtlineare Austauschgesetz korreliert mit allen Messergebnissen (LWR = 0.23d-1).
© Strecha, 2012


Da es immer wieder zu Unstimmigkeiten bei der Auswertung der Messergebnisse gekommen ist, wurde 2011 ein Forschungsprojekt von ARTEX mit der TU Wien durchgeführt, um eine wissenschaftliche Basis für die Auswertung zu schaffen. (Anm. 2) Unter der Leitung von Johannes Strecha wurde untersucht, welche Einflüsse eine Auswirkung auf den Luftaustausch haben und das lineare Austauschgesetz erweitert, um diese Einflüsse zu berücksichtigen. Somit entstand das nichtlineare Austauschgesetz.

 

Das nichtlineare Austauschgesetz


In diversen praktischen Messungen konnte die Zuverlässigkeit des nichtlinearen Austauschgesetzes bestätigt werden. Eine Nichtlinearität kann z.B. durch Temperaturschwankungen auftreten.

Auswirkungen auf die Praxis

Die Messung mittels Indikatorgas kann wie gewohnt durchgeführt werden. Zusätzlich zu der Konzentration des Indikatorgases innerhalb der Vitrine werden auch die Konzentration außerhalb der Vitrine sowie die Luftfeuchtigkeit und Temperatur mit aufgezeichnet. Mit den zusätzlichen Parametern erfolgt die Auswertung nach dem nichtlinearen Austauschgesetz und man erhält wie gewohnt einen Wert für die Luftwechselrate als Maß für die Dichtheit einer Vitrine.

Je dichter die Vitrine, desto besser?

Schadstoffe innerhalb der Vitrine können durch die für den Bau der Vitrine verwendeten Materialien emittiert werden. Selbstverständlich ist es daher, diese Schadstoffe durch die Wahl der geeigneten Materialien auf ein Minimum zu reduzieren. Erfahrene Hersteller von Museumsvitrinen verfügen in der Regel über ein Sortiment an erprobten und geprüften Materialien, die diese Problematik minimieren. Für ARTEX ist es selbstverständlich, die verwendeten Materialien von unabhängigen Instituten auf Tauglichkeit untersuchen zu lassen. Ein Oddytest oder der Test in der Emissionsprüfkammer auf z.B. flüchtige organische Verbindungen (VOCs), Ameisensäure, Essigsäure oder Formaldehyde kann hier für Gewissheit sorgen. Bevor die Objekte in die Vitrine eingebracht werden, ist es zudem ratsam eine „Ausdampfzeit“ von vier bis acht Wochen vorzusehen.

Gebräuchliche Material-Gütesiegel für Bauprodukte sind für Materialien im Einsatz in Museen nicht geeignet, da innerhalb einer Vitrine andere Bedingungen herrschen und somit Grenzwerte anders anzusetzen sind. Die Grenzwerte für Gütesiegel wie z.B. Der blaue Engel beziehen sich rein auf toxikologische Aspekte für Menschen und stellen somit keine Basis für Schadstoffe für Objekte dar. Beachtenswert ist bei der nahezu „hermetischen“ Abschirmung auch die mögliche Aufkonzentration von Schadstoffen, die direkt aus dem Objekt emittiert werden.

Somit gilt: Je dichter die Vitrine, desto größer ist auch die Gefahr, dass hohe Schadstoffkonzentrationen aus dem Ausstellungsobjekt selbst im geschlossenen System gebildet werden können. Eine dichte Vitrine ist demnach nicht automatisch eine gute Vitrine. Es bedarf daher neben Erfahrung und Know-how auch einer guten Vernetzung mit Restauratoren, Prüfinstituten und Museumstechnikern, um die passende Vitrine für jede Anforderung zu bauen.

ARTEX Museum Services
Markus Wiechert, Leitung Forschung und Entwicklung

Gorskistraße 17, A-1230 Wien / Österreich
Tel 0043 / 1 / 7433608
m.wiechert(at)artex.at
www.artex.at

Anmerkungen
Anm. 1: Vgl. Dario Camuffo, Giovanni Sturaro und Antonio Valentino: Showcases: a really effective mean for protecting artworks?, in: Thermochimica Acta, vol. 365, 2000, S. 65-77
Anm. 2: Vgl. Johannes Strecha: Leakage Testing of Display Cases Using Tracer Gas Methods, Master Thesis, Vienna University of Technology, Vienna 2012

Dieser Beitrag wurde erstmals publiziert in KulturBetrieb zwei 2017, S.62-63.