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Bibliothek wird Lehrwerkstatt

Anna Amalia gibt Know-how über sog. Aschebücher weiter

2004 sind beim Brand der Anna Amalia-Bibliothek in Weimar 50.000 Bücher vernichtet und 118.000 Bücher beschädigt worden. Seither haben Fachleute aus 27 europäischen Werkstätten daran gearbeitet, Fragmente zu bergen, Schäden zu sichten und Objekte zu restaurieren, darunter auch die sog. Aschebücher. Mit Inbetriebnahme der Akademischen Lehrwerkstatt hat im Mai 2019 eine neue Phase der Restaurierung begonnen.

Neues Konzept für Lehre und Praxis

Die neue Ausbildungs- und Restaurierungsstätte ist ein Gemeinschaftsprojekt der Stiftung Weimarer Klassik und der HAWK Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst Hildesheim/Holzminden/Göttingen. Ein Ziel der Kooperation ist es, „die im Zuge der Bewältigung der Brandfolgen gewonnenen Kompetenzen auf dem Spezialgebiet der Mengenrestaurierung wertvollen fragmentierten Kulturguts in den kommenden Jahren zu erhalten, zu vermitteln und weiterzuentwickeln. (…) Für die Stabilisierung und Restaurierung dieser sog. Aschebücher setzt die Herzogin Anna Amalia Bibliothek ein neu entwickeltes, für die Klassik Stiftung Weimar patentiertes Verfahren der Restaurierung großer Mengen stark beschädigter Papiere ein. Die Bearbeitung erfolgt blattweise. Seit 2008 wird dieses Mengenverfahren in der für diesen Zweck errichteten Restaurierungswerkstatt für brandgeschädigtes Schriftgut angewandt. Aus einer Menge von sieben Millionen geborgenen Blättern können bis 2028 1,5 Millionen Blatt gesichert und restauriert werden. Das Verfahren ermöglicht die Bearbeitung von 60.000 Blatt pro Jahr. Bis 2018 konnten bereits über 800.000 Blatt, also mehr als 50 Prozent dieser Schadensgruppe, restauriert werden. Ergebnis sind Bücher, in denen – mit einem funktionalen konservatorischen Einband versehen – wieder geblättert und gelesen werden kann. (…) Die in Weimar angewendeten Arbeitsprozesse – Restaurierung für Druckschriften und Stabilisierende Konservierung für Musikhandschriften – seien das Ergebnis einer mehrjährigen Prozessentwicklung, die mit der für die Nassbehandlung brandgeschädigter Fragmente eingesetzten Kompressionskassette auch eine patentierte Komponente enthält. Im Rahmen der Zusammenarbeit mit der HAWK werden Studierende des Bachelor- und des Masterstudiengangs über einen Zeitraum von 14 Tagen pro Studiengang in der Weimarer Lehrwerkstatt praxisnah an den Restaurierungsarbeiten beteiligt oder in die Entwicklungsarbeit einbezogen. Diese Lehrveranstaltungen in Weimar sind im Curriculum verankert.“

Dienstleister für andere Kulturbetriebe

„Die Werkstatt dient ab 2019 daher zugleich als Ausbildungsstätte, die den Wissenstransfer in die Lehre und Praxis trägt und von universitärer Forschung und Entwicklungsarbeit flankiert wird. In der Perspektive der Jahre 2021 bis 2028 ist die Werkstatt Teil eines Labors für Bestandserhaltung, das als Fachzentrum und Servicestelle zur Erhaltung beschädigter und abgebauter Papiere in großen Mengen im Sinne eines Dienstleistungsunternehmens für öffentliche und kirchliche Einrichtungen (Archive, Bibliotheken, Museen) weiterentwickelt werden soll. In der Werkstatt arbeitet ein Team aus sechs Restauratorinnen. Die HAWK ist gegenwärtig die einzige Hochschule in Deutschland, die fachlich das Gebiet der konservatorischen und restauratorischen Mengenbehandlung von Schriftgut in der Lehre berücksichtigt. Mengenbehandlung von Schriftgut ist durch arbeitsteilige und weitgehend standardisierte Prozessabläufe gekennzeichnet. Dadurch unterscheidet sie sich von der Einzelobjektbearbeitung, bei welcher die/der Ausführende stets alle erforderlichen Arbeitsschritte an einem Objekt durchführt. Bei der Mengenbehandlung sind Erhaltungs- und Behandlungsziele im Detail abgestimmt. Verfahrensanweisungen legen die technische Werkstattausstattung, die Arbeitsmittel und Materialien sowie die Abfolge und Inhalte der einzelnen Behandlungsschritte fest. Die Ergebnisse werden nach festgelegten Qualitätskriterien überprüft. Diese geregelte Durchführung erleichtert auch das Erlernen der Restaurierungsarbeiten. Studierende des Bachelorstudiengangs können auf die einzelnen Tätigkeiten vorbereitet werden, und sie können diese durch die Mitarbeit im Regelbetrieb der Lehrwerkstatt üben. Mit Studierenden des Masterstudiengangs sollen die Weimarer Restaurierungsprozesse untersucht werden, mit dem Ziel, zu versuchen, weitere Mengenprozesse für andere Mengenschadensgruppen (z.B. Schimmelbefall, Papierzerfall) zu entwickeln.“

Finanzierung

„Für die Restaurierungsarbeiten 2004 bis 2018 wurden Sach- und Personalmittel in Höhe von ca. 18 Millionen Euro aufgewandt. Bis 2028 werden für diesen Zweck voraussichtlich weitere neun Millionen Euro ausgegeben. An der Finanzierung beteiligt sind der Bund, der Freistaat Thüringen sowie zahlreiche Stiftungen und Spender. Die Ausstattung der Legefelder Werkstatt wurde aus Mitteln der Vodafone Stiftung finanziert.“

Alle Zitate: Herzogin Anna Amalia Bibliothek startet Lehrbetrieb in Restaurierungswerkstatt, in: BUB. Forum Bibliothek und Information, 27.05.2019;Quelle: b-u-b.de/herzogin-anna-amalia-bibliothek-lehrbetrieb/; Abfrage: 08.07.2019

Dieser Beitrag wurde erstmals publiziert in KulturBetrieb, zwei 2019, S. 32.