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Marketing für Museen in Printmagazinen?

Ja, aber nicht von Hochglanzfotos blenden lassen!

„Manchmal enthält die Frage mehr Informationen als die Antwort.“
Danil (Milrud) Rudy

Wenn Museen fragen, ob es Sinn mache, in der Fachzeitschrift KulturBetrieb für ein Haus und seine Ausstellungen öffentlichkeitswirksam zu werben, verneine ich dies. Da das Magazin sich direkt an Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Kulturbetrieben wendet, würden die Häuser ihr Geld nicht zielgerichtet einsetzen. Es wäre Verschwendung. Dennoch gibt es hierzulande erstaunlich viele Museen, die genau das tun: Sie werben in Printmagazinen, deren Auflage und Verteilung eingehend darauf geprüft werden sollten, ob sie tatsächlich geeignet sind, potenzielle Besucherinnen und Besucher in nennenswertem Umfang zu erreichen. Eines dieser Magazine ist Museum.de. Dieser Beitrag fragt nach.

Wie steht es um Auflage und Verbreitung?

Das aufwändig produzierte Magazin Museum.de erscheint seit 2010 vier Mal pro Jahr. Mit eingängigen Texte und ausgedehnten Bildstrecken werden Museen und Kulturstätten präsentiert bzw. illustriert, um – so Gründer Uwe Strauch – „Lust auf einen Museumsbesuch“ machen. (Anm. 1) Bei nicht wenigen Verantwortlichen für das Marketing verfangen der sympathisch klingende Anspruch und der verführerische Glanz des Coffee-Table-Mags offenbar: Viele Ausgaben des Magazins erreichen einen Umfang von deutlich mehr als 100 Seiten; Heft 25 kommt gar auf über 240 Seiten. Während jede einzelne Ausgabe reichlich Raum für die `mediale Selbstbespiegelung´ (Anm. 2) von zehn, 20 oder mehr Kulturstätten bietet, freut der geschäftstüchtige Gründer sich über üppige Einnahmen für Texte und Anzeigen (Anm. 3) – und hüllt sich bezüglich Auflage und Verbreitung in Schweigen. Das ist für die Branche unüblich und für Museum.de auffällig – besonders mit den Blick auf den vollmundigen Start: Ausgabe eins (April 2010) kündigt an, das Magazin werde „nun regelmäßig und kostenlos an ca. 5.000 deutsche Museen verschickt.“ (Anm. 4) Anfangs steigt die Auflage; Höhepunkt sind zwei Ausgaben des Jahres 2012 mit je 7.700 Exemplaren. Doch seit Juni 2013 (Heft 13) ist alles anders: Die Auflage wird nicht mehr kommuniziert. Weshalb? Wurde sie drastisch gesenkt? Wurde das ambitionierte Vorhaben, 5.000 deutsche Museen „regelmäßig und kostenlos“ zu beschicken, stillschweigend kassiert? Schon aus Gründen der Wirtschaftlichkeit und Fairness sollten Geschäftspartner (hier: Museen) bezüglich Auflage und Verbreitung mehr Transparenz einfordern.
Das deutsche Presserecht kennt die Impressumspflicht (z.B. Name und Anschrift des Verlegers), fordert jedoch keine Auskünfte über Auflage und Verbreitung. In der Regel werden diese Angaben dennoch gemacht: Zum einen wollen werbetreibende Kunden wissen, welche Gegenleistung sie für das investierte Geld erhalten. Zum anderen sind Kennzahlen zu Auflage und Verbreitung nützliche Hinweise zur Einschätzung der Akzeptanz eines Mediums – auch aus Perspektive der Leserschaft.

Wie verhält es sich nun beim Printmagazin Museum.de? Um dies einschätzen zu können, braucht es Informationen über Druckauflage, verbreitete Auflage, verkaufte Auflage und Freiexemplare. Da Museum.de sich auch auf Nachfrage nicht dazu äußert, (Anm. 5) können die Zahlen nur indirekt erschlossen werden: Bezüglich des Verteilers heißt es, das Magazin sei im eigenen Shop sowie „im Zeitschriftenhandel deutscher Bahnhöfe und Flughäfen erhältlich.“ (Anm. 6) Die Liste der Verkaufsstellen führt mehr als 250 Positionen im gesamten Bundesgebiet, darunter Großstädte mit mehreren Verkaufsstellen, aber auch Orte wie Ahlen in Westfalen oder Zeitz in Sachsen-Anhalt. (Anm. 7) Wenn jede Verkaufsstelle im Schnitt zehn Stück erhält, ergibt sich eine erste Teilmenge von rund 2.500 Exemplaren. Für den Onlineshop von Museum.de könnten pro Ausgabe weitere 500 Stück reserviert sein. Schließlich die Museen und Kulturstätten: Als Beleg-, Frei- oder Probeexemplare scheinen 1.000 bis max. 1.500 Hefte realistisch. Insgesamt ist davon auszugehen, dass die Druckauflage zwischen 4.000 und 4.500 Stück liegt. Für eine Fachzeitschrift, die sich ausschließlich an Museumsprofis wendet, wäre das eine stattliche Größe, (Anm. 8) aber für ein Magazin, das den Anspruch hat, bundesweit „Lust auf einen Museumsbesuch“ zu machen?

Kunst- und Kulturzeitschriften decken Nischen ab. Museen, die Publikum erreichen wollen, sollten auch mit Blick auf den wirtschaftlichen Einsatz ihrer Mittel bedenken: Der Printbereich bietet Alternativen, die eher geeignet sein dürften, ein größeres Potenzial an Besucherinnen und Besuchern anzusprechen. Innerhalb des Segmentes der sog. Special-Interest-Magazine – als solches versteht sich auch Museum.de (Anm. 9) – gibt es eine beachtliche Bandbreite. Hier eine Auswahl: art, Blau, Kunst:art, KUNSTZEITUNG, Monopol, WELTKUNST oder Zeitkunst. Manche dieser Magazine erreichen Auflagen von 200.000 und mehr Exemplaren. (Anm. 10) Zudem werden viele der genannten Medien sinnvollerweise genau dort vorgehalten, wo das kulturaffine Publikum sich tatsächlich aufhält: In Museen, Ausstellungshäusern u.a. Kulturstätten – bundesweit und nicht selten kostenfrei!

Wie zielführend sind Verteilung und Vertrieb?

Selbst wenn werbetreibende Museen meinen, den Aspekt der Auflage außer Acht lassen zu dürfen, bleiben Fragen zu Verbreitung und Reichweite: Von geschätzt 4.000 bis 4.500 Exemplaren der Druckauflage von Museum.de gehen 1.000 bis 1.500 Stück an kulturelle Einrichtungen. Bei dieser Teilmenge wird der beabsichtigte Werbeeffekt wohl gegen Null gehen, da die Hefte vermutlich an die Leitung der Häuser gerichtet sind.
Um potenzielle Besucherinnen und Besucher zu erreichen, bleiben rund 3.000 Exemplare für den freien Verkauf in „Bahnhöfen & Flughäfen“ sowie im Onlineshop. Museen sind aber gut beraten, das dynamisch klingende Vertriebssystem auf seine Leistungsstärke zu prüfen: Städte wie München und Hamburg haben gerade einmal drei bzw. neun Verkaufsstellen. (Anm. 11) Ausgehend von zehn Exemplaren pro Verkaufsstelle werden in diesen kulturaffinen Metropolen gerade einmal 30 bzw. 90 Hefte angeboten. In Berlin dürfte die Bilanz noch dünner ausfallen: Für die 3,4 Millionen Einwohner und ihre jährlich rund zwölf Millionen Gäste beliefert Museum.de ganze 23 Verkaufsstellen, also rund 230 Exemplare! Das ist nicht nur dürftig, sondern auch mit Blick auf den Inhalt der Magazine mehr als fragwürdig: Weshalb sollte im August 2017 ein Tourist in Berlin die Ausgabe Nr. 29 von Museum.de kaufen? Diese Ausgabe berichtet über ein einziges Haus in der Hauptstadt. (Anm. 12) Und auch aus der Perspektive der Museen und Kulturstätten in der sog. Fläche muss man fragen: Spekulieren Verantwortliche in Bremerhaven ernsthaft darauf, dass der Tourist im Anschluss an seinen Berlin-Trip auch das Deutsche Schiffahrtsmuseum besuchen wird, das sich in derselben Ausgabe Nr. 29 auf zwölf (!) Seiten präsentiert? Ist es nicht viel wahrscheinlicher, dass Touristen zu Broschüren greifen, die sich schwerpunktmäßig mit dem jeweils aktuellen und erweiterten Kulturangebot (Konzerte, Theater, Kino, Festival usw.) der Stadt oder Region befassen, die sie gerade besuchen – und das oftmals kostenfrei?
Zurück zu dem Vertriebsnetz „Bahnhöfe & Flughäfen“: Erwerben Herr und Frau Müller in der Buchhandlung am Bahnhof von Ahlen (Westfalen) ein Exemplar von Museum.de für den Fall, dass sie in Zukunft einmal nach Berlin, Stuttgart, München oder Zeitz reisen, um dort eines der in dem Magazin präsentierten Häuser zu besuchen? Eine putzige Vorstellung! Wie viele Hefte werden an diesen Durchlaufstationen abgesetzt? Alle, die Hälfte oder nur ein Bruchteil? Und die Remittenden? Sie werden wohl zurückgehen und im Onlineshop auf Käufer warten.
Tatsächlich sind im Onlineshop von Museum.de Exemplare aller bislang erschienenen Ausgaben erhältlich. Ein Indiz, wie `gut´ das Vertriebssystem „Bahnhöfe & Flughäfen“ funktioniert? Museen sollten dennoch genau nachfragen: Wie viele Exemplare werden im Shop abgesetzt? Wie gut verkauft sich ein Kunstmagazin, das bereits vor zwei, fünf oder gar sieben Jahren produziert worden ist? Sind diese Stückzahlen für das Marketing der werbetreibenden Häuser tatsächlich von Belang? Außerdem: Wie steht es um die Verbreitung via Online-Variante von Museum.de? Versprechen Museen sich ein Plus an Aufmerksamkeit, indem Kunstfreunde auf ihrem Smartphone Hochglanzfotos aus einem Printmagazin anschauen?

Kosten und Nutzen genau prüfen

Verantwortliche für Marketing und Controlling in Kulturbetrieben sollten die hier gestellten Fragen nicht ignorieren. Schließlich ist die Finanzwirtschaft öffentlich finanzierter Museen laut Leitlinien des Deutschen Museumsbundes (DMB) gehalten, „die bereitgestellten Ressourcen optimal und wirtschaftlich einzusetzen. Hierzu gehört (…) auch das entsprechende Controlling.“ (Anm. 13) Mit Blick auf diesen Anspruch sollten Häuser, die sich mit dem Gedanken tragen, ihre Sammlungen und Ausstellungen in dem Printmagazin Museum.de zu präsentieren, vor einer Beauftragung sehr genau klären, welche Verbreitung, Reichweite und Aufmerksamkeit sie für ihr Geld tatsächlich bekommen. Der Mangel an Transparenz bei Museum.de macht dies nicht eben leicht. Gleichwohl sollten Museen sich als Geschäftspartner auf Augenhöhe begreifen und vor einer Beauftragung aussagekräftige Informationen einholen. Allerdings können Museen die 500 Euro, die ein fünfseitiger Beitrag in Museum.de kostet, auch gezielter anlegen: Warum nicht 15 Journalisten zu Hintergrundgesprächen samt Kaffee & Kuchen einladen? Oder zwei Reisebusse anmieten, die innerorts 50 bis 100 Schüler, Menschen mit Behinderung oder Senioren zum Museum bringen. Oder Empfang und WC wieder einmal gründlich reinigen lassen … (Anm. 14)
Werde ich also gefragt, welches Printmedium mit Blick auf das besucherorientierte Marketing zu empfehlen sei, rate ich vor allem: Nicht von Hochglanzfotos verführen lassen, sondern tatsächliche Reichweiten prüfen!

Berthold Schmitt
Herausgeber der Fachzeitschrift KulturBetrieb

Anm. 1: Vgl. https://www.museum.de/de/magazine; Abfrage: 03.10.2017
Anm. 2: Vgl. Berthold Schmitt, Spieglein, Spieglein an der Wand … Nabelschau-Marketing kann gegen die guten Sitten verstoßen, in: KulturBetrieb, zwei 2016, S. 76-78.
Anm. 3: Kurzübersicht Angebote für Museen, Herbst 2017; https://www.museum.de/uploads/pdf/Herbstangebot_Museen_2017C.pdf; Abfrage: 03.10.2017
Anm. 4: Uwe Strauch, Das deutsche Museumsportal. Die Erstausgabe »MAGAZIN MUSEUM.DE« und eine Online-Fachmesse (S. 4), issuu.com/museum.de/docs/magazin1; Abfrage: 03.10.2017
Anm. 5: E-Mails zwischen Museum.de und KulturBetrieb vom 7. bis 22. August 2017.
Anm. 6: Kurzübersicht, Quelle: https://www.museum.de/uploads/pdf/Herbstangebot_Museen_2017C.pdf Abfrage: 03.10.2017
Anm. 7: Vgl. http://www.museum.de/public/press/ma/2016-07-01/Verkaufsstellen.pdf; Abfrage: 03.10.2017
Anm. 8: Ausgewählte B2B-Magazine im Bereich Museen erreichen laut Selbstauskunft folgende Druckauflagen: BlachReport Museum (drei Ausgaben pro Jahr à 2.000 Stück); KulturBetrieb. Magazin für innovative und wirtschaftliche Lösungen in Museen, Bibliotheken und Archiven (zwei / Jahr à 2.600); MUSEUM AKTUELL. Die aktuelle Fachzeitschrift für die deutschsprachige Museumswelt (zehn / Jahr à 2.300).
Anm. 9: Vgl. https://shop.strato.de/epages/64627337.sf/de_DE/?ObjectPath=/Shops/64627337/Categories/KategorieMagazine; Abfrage: 03.10.2017
Anm. 10: Laut Selbstauskunft werden folgende Auflagen erreicht: art – Das Kunstmagazin (zwölf / Jahr à ca. 55.000 Stück); Blau – ein Kunstmagazin (zehn / Jahr; 168.000) Kunst:art (sechs / Jahr à 223.000); KUNSTFORUM International (vier bis sechs / Jahr à ca. 10.000); Kunstzeitung (zwölf / Jahr à ca. 200.000); WELTKUNST. Das Kunstmagazin der ZEIT (12 / Jahr à 22.000) oder Zeitkunst. Monatszeitung für Kunst & Kultur (zwölf / Jahr à ca. 200.000); Monopol. Magazin für Kunst und Leben (zwölf / Jahr à 45.000).
Anm. 11: Vgl. http://www.museum.de/public/press/ma/2016-07-01/Verkaufsstellen.pdf; Abfrage: 03.10.2017
Anm. 12: Ähnlich andere Ausgaben: Heft 28 (April 2017) stellt nur ein Berliner Haus vor; Heft 27 (Dez. 2016) immerhin drei; Heft 26 (Sept. 2016) nur eins.
Anm. 13: Standards für Museen; hrsg. von Deutscher Museumsbund e.V. gemeinsam mit ICOM Deutschland, Kassel / Berlin 2006, S. 11.
Anm. 14: Zu Möglichkeiten, die Mittel sinnvoll zu nutzen, vgl. Berthold Schmitt, Stopp der Verschwendung in Museen! Was verantwortungsbewusste Häuser mit 500 Euro tun könnten, in: KulturBetrieb, vier 2016, S. 87.

Dieser Beitrag ist erstmals erschienen in KulturBetrieb, zwei 2017, S. 114-116.

Zum Magazin: http://www.kulturbetrieb-magazin.de/fileadmin/user_upload/kulturbetrieb-magazin/magazin/KulturBetrieb-2017-Ausgabe-2-November.pdf