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Haus- und Besucherordnungen in Kulturbetrieben

Papiertiger oder echte Stütze im Alltag?

Bei Schulungen für das Service- und Aufsichtspersonal in Museen dominieren zwei Anliegen: Freundliche Besucherorientierung sowie Umgang mit schwierigen Situationen. Dazu braucht es aber nicht nur Soziale Kompetenz (sog. Soft Skills), sondern auch klare Aussagen darüber, was die Institutionen z.B. im Falle eines Konfliktes von ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern erwarten (dürfen) und wie sie zu ihrem Personal stehen. Geeignet dafür sind die Haus- oder Besucherordnungen (HO/BO).

Reproduktionen von Kunstwerken sind nicht erlaubt! (Anm. 1)

Die überwiegende Zahl der Museen dürfte über schriftliche Dokumente verfügen, die dem Besucher, Gast oder Benutzer sagen, was ihn bzw. sie erwartet und was von ihm bzw. ihr erwartet wird. Nicht so weit verbreitet scheint es hingegen, dem Besucher diese Informationen aktiv zur Kenntnis zu bringen. Während manche Einrichtung die HO/BO „zur Einsicht bereithält“, kann der Aushang in anderen nicht abgelegen und kleinformatig genug sein. Die Gründe reichen von der Sorge, als „Verbotseinrichtung“ verkannt zu werden, über Desinteresse und Unkenntnis bis zur Unvereinbarkeit mit dem ästhetischen Anspruch der Architektur der Einrichtung.
Bei dem, was in HO/BO festgehalten wird, sind im Wesentlichen zwei Bereiche zu unterscheiden. Zum einen generelle Informationen und Regeln, die in den meisten Einrichtungen gelten: Verbote (z.B. Rauchen, Essen und Trinken, Tiere), Garderobe, Fotografieren, Eintrittsgelder, Fragen der Haftung, Hausverweis usw. Ergänzend gibt es vielfach spezifische Vorschriften, die aus örtlichen Gegebenheiten und Erfahrungen resultieren: Strafe bei fahrlässigem Auslösen der Alarmanlage, Mobiltelefone stumm- oder ausschalten (Bibliotheken!), keine Gruppenführungen durch Fremde usw. Unter den spezifischen Regeln finden sich aber auch Passagen, die z.B. das Barfußgehen untersagen. Haus- und Besucherordnungen dürfen keine Bestimmungen enthalten, die den allgemein gültigen Gesetzen widersprechen. Außerdem sollten sie – gleiches gilt für Dienstanweisungen (DA) – keine rechtlichen Graubereiche schaffen: Dazu können Fangprämien für Diebe oder das Schließen von Ausgangstüren sowie Personen- und Taschenkontrollen im Verdachtsfalle gehören. Die allgemeinen Persönlichkeitsrechte der Gäste sind ein hohes Gut! Auch um das eigene Personal zu schützen, sollten HO/BO/DA gründlich auf Vereinbarkeit mit geltendem Recht geprüft und das Personal regelmäßig unterrichtet werden, am besten in enger Abstimmung mit der Polizei.

Britisch höflich und unmissverständlich

Haus- und Besucherordnungen dienen in erster Linie als Informationsquelle für die Gäste, sollten aber zugleich die Tätigkeit des Service- und Aufsichtspersonals unterstützen. Eine Möglichkeit sind konkrete Hinweise darauf, welche technische Einrichtungen eingesetzt und welche Maßnahmen ergriffen werden, um das Wohlbefinden und die Sicherheit von Besuchern, Mitarbeitern und Ausstellungsgut zu gewährleisten. Die in vielen HO/BO formulierte Ausübung des Hausrechtes ist ein wichtiger Bestandteil, kann jedoch durch weitere Elemente ergänzt werden.
Videoüberwachung (CCTV): Die überwiegend in den Schauräumen verwendete Technik könnte auch gezielt an solchen Servicestationen zum Einsatz kommen, an denen es erfahrungsgemäß häufiger zu Konflikten kommt, z.B. wegen der Eintrittspreise oder Gepäckstücken. Zu denken wäre an Kasse, Information und Garderobe sowie an zentrale Zugänge zu den Ausstellungen. Schon der Hinweis auf optische Raumüberwachung kann Besucher von Verstößen gegen HO/BO oder von einem unangemessenen Umgang mit dem Service- und Aufsichtspersonal abhalten. (Anm. 2)
Schutzerklärung: Kulturelle Einrichtungen können in HO/BO sowie an neuralgischen Servicestellen kundtun, dass sie für den Schutz ihres Personals gegen verbale oder körperliche Übergriffe einstehen. Ein Beispiel ist die National Gallery, London, an deren Garderoben es heißt: „Unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben das Recht, in einem sicheren Umfeld zu arbeiten, das frei ist von Gewalt und bedrohlichem Verhalten. Das Museum nimmt Vorfälle dieser Art sehr ernst.“ (Anm. 3)

Für das eigene Personal einstehen!

Deutsche Kulturbetriebe tun sich nicht leicht mit derlei Maßnahmen. Museen, denen der Verfasser im Rahmen einer Schulung des Service- und Aufsichtspersonals vorgeschlagen hat, ähnliche Erklärungen wie in England abzugeben, schreckten zurück, da „man das nicht bringen könne“. Entschiedener ist z.B. das Projekt „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“ (SOR – SMC), das sich auch hierzulande offen gegen Diskriminierung engagiert. (Anm. 4)
Bei der Abwägung des Für und Wider bleibt zu bedenken: Erstens: Als Arbeitgeber unterliegen auch Kulturbetriebe der Fürsorgepflicht, d.h. es ist ihre Pflicht, für das Wohlergehen ihrer Mitarbeiter Sorge zu tragen. Dazu zählt der Schutz vor Respektlosigkeit sowie vor verbaler und / oder körperlicher Gewalt. Zweitens: Konflikte mit Besucherinnen und Besuchern können komplex und unangenehm sein. Verantwortungsbewusste Häuser sollten ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit diesem Problem nicht allein lassen.
Wenn das Service- und Aufsichtspersonal nicht nur die freundliche und engagierte „Visitenkarte“, sondern auch der durchsetzungsfähige „verlängerte Arm“ von Direktion und Verwaltung sein soll, sind die konsequente Beschäftigung mit den konkreten Bedarfen und das entschiedene Einstehen für das Wohlergehen der Mitarbeiter in Service und Sicherheit unverzichtbar.

Berthold Schmitt, QEM - Qualifizierte Einbindung von Museumspersonal
www.aufsicht-im-museum.de

QEM - Qualifizierte Einbindung von Museumspersonal ist Förderer der Auszeichnung "Riegel - KulturBewahren" (www.riegel-preis-kulturbewahren.de)

Anm. 1: Vgl. Besucherordnung Musées Royaux des Beaux-Arts de Belgique; www.fine-arts-museum.be/en/visitors-regulations; Abfrage: 24.11.2014.
Anm. 2: Belange des Persönlichkeits- und Datenschutzes sind zu beachten, besonders wenn die Geräte aufzeichnen. Dies kann von Vorteil sein, um im Nachhinein Abläufe von Situationen rekonstruieren und besser verstehen zu können.
Anm. 3: „Gallery staff have the right to work in a safe environment free from violence an threatening behaviour. The Gallery will tage seriously any incidents of this nature.“ (Übersetzung B. Schmitt). Ähnlich das Britische Museum, London: „We will not tolerate violence or abuse to any member of our staff.“ Vgl., British Museum Visitor Regulations, 16.4: Visitor Services and Security staff; www.britishmuseum.org/pdf/2011-11-14%20Visitor%20Regulations%20FINAL.pdf; Abfrage: 24.11.2014)
Anm. 4: www.schule-ohne-rassismus.org/startseite

Dieser Beitrag wurde erstmals publiziert in "KulturBetrieb. Magazin für wirtschaftliche und innovative Lösungen in Museen, Bibliotheken und Archiven", eins 2015, S. 68-69.

Zum Magazin: http://www.kulturbetrieb-magazin.de/fileadmin/user_upload/kulturbetrieb-magazin/magazin/KulturBetrieb-2015-Ausgabe-1-Februar.pdf