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Freier Eintritt im Museum. Lernen von den Bibliotheken?

Eine kleine Anfrage im Landtag von Nordrhein-Westfalen

Das Museum Folkwang in Essen und die Kunsthalle Bielefeld haben im vergangenen Herbst ein Experiment gestartet: Für einen begrenzten Zeitraum von fünf Jahren (Essen) bzw. einem Monat (Bielefeld) kann die jeweilige Dauerausstellung kostenfrei besichtigt werden. Die entgangenen Einnahmen aus nicht erhobenen Eintrittsgeldern werden von der Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung bzw. der Stockmeier-Stiftung und dem Förderkreis der Kunsthalle Bielefeld kompensiert. (Anm. 1)

Wie in der Bibliothek, so im Museum

Mit Blick auf die Projekte in Bielefeld und Essen hat Thomas Sternberg (CDU), Abgeordneter im Landtag Nordrhein-Westfalen (NRW), eine sog. Kleine Anfrage an die Landesregierung gerichtet, um zu erfahren, „welche kulturpolitischen Konsequenzen die Landesregierung aus den positiven Erfahrungen mit einem freien Eintritt im Museum Folkwang in Essen und in der Bielefelder Kunsthalle [zieht], um den Besuch von Museen für Bürgerinnen und Bürger attraktiver zu machen?“ Konkret fragt Thomas Sternberg u.a.: „Welche Maßnahmen hält die Landesregierung für sinnvoll, um die Dauerausstellungen in den Museen in vergleichbarer Weise wie Öffentliche Bibliotheken im kulturellen Alltag der Bürgerinnen und Bürger in Nordrhein-Westfalen zu verankern?“ (Anm. 2) Den Bezug auf die Bibliotheken leitet Sternberg von einem Vergleich der Besucherzahlen ab: Während die öffentlichen Bibliotheken in NRW im Jahr 2013 rund 22 Millionen Besuche gezählt haben, habe eine Gruppe von Museen in NRW etwa 15 Millionen Besuche verzeichnet, (Anm. 3) von denen jedoch „über 11,6 Mio. auf Museen mit speziellen Sonderausstellungen“ entfallen. Für Sternberg „liegt die Vermutung nahe, dass die hohe Zahl bei den Museen dem Kulturtourismus und speziellen Events zu verdanken sind. Außerhalb besonderer Ereignisse scheint der Besuch eines Museums für die Bürgerinnen und Bürger in Nordrhein-Westfalen wohl nicht in gleicher Weise selbstverständlich und üblich zu sein, wie etwa die regelmäßige Nutzung einer Stadtbibliothek.“ Als mögliche Ursache für diese Schieflage führt Sternberg aus: „Dass die Museen trotzdem nicht in gleicher Weise wie etwa die Öffentlichen Bibliotheken als niederschwellige Kultureinrichtungen angenommen werden, die man immer mal wieder besucht, könnte vor allem bei den großen Häusern mit reichhaltigen Beständen an den dort erhobenen Eintrittsgeldern liegen. Während ein Bibliotheksbesuch, etwa um eine bestimmte Information zu erhalten, zu einem eng umgrenzten Thema etwas nachzuschlagen oder einfach eine Zeitschrift zu lesen, jederzeit kostenfrei möglich ist, ist ein wiederholter Aufenthalt in einem Museum, um sich mit einzelnen Exponaten oder Abteilungen intensiver zu beschäftigen, jedes Mal mit Kosten verbunden. Gerade bei großen Sammlungen aber ist ein wiederholter kürzerer Besuch der einzige Weg, sich die dort gebotenen Exponate in voller Breite kulturell an zueignen.“ Insgesamt spricht für Sternberg mit Blick auf die Erfahrungen aus Essen und Bielefeld „viel dafür, dass Eintrittsgelder für die Attraktivität der Dauerausstellung eines Museums eher nachteilig sind.“ (Anm. 4)

Deutlich steigende Besuchszahlen

Während des Gratismonats hat die Kunsthalle Bielefeld offenbar dreimal mehr Besucher gezählt, als in anderen Monaten. Deshalb soll die Aktion „Freier Eintritt“ jährlich wiederholt werden. (Anm. 5) In Essen heißt es sogar: „Seit der Besuch des Museum Folkwang keinen Eintritt mehr kostet, explodiert die Zahl der Besucher. (…) Wir machen mehr als eine Verdreifachung der Besucherzahlen jetzt. (…) Aufgrund des freien Eintritts [kämen] sehr viele Menschen, auch Jugendliche. Sie besuchten das Museum jetzt zwanglos und öfter und sei es nur kurz, um sich etwas Bestimmtes anzusehen. Es gebe zwar noch keine genaue Statistik, aber die Erfahrung zeige bislang, dass zwei Drittel der Besucher wüssten, dass der Eintritt frei ist und genau deshalb gekommen seien.“ (Anm. 6)

Dr. Berthold Schmitt, Herausgeber der Fachzeitschrft KulturBetrieb

Anm. 1: Vgl. Berthold Schmitt, Freier Eintritt im Museum! Mäzene und Sponsoren machen es möglich. Aber wem nutzt das?, in: KulturBetrieb, drei 2015, S. 90.
Anm. 2: Vgl. Kleine Anfrage 4091, Frage 3, Landtag Nordrhein-Westfalen, 16. Wahlperiode, Drucksache 16/10329, 25.11.2015; Quelle: https://www.landtag.nrw.de/portal/WWW/dokumentenarchiv/Dokument?Id=MMD16/10329; Abfrage: 07.01.2016
Anm. 3: Sternberg bezieht sich auf eine im Jahr 2014 vom Deutschen Museumsbund publizierte „Statistische Gesamterhebung für das Jahr 2013“, an der 513 Museen aus NRW teilgenommen hätten.
Anm. 4: Vgl. Kleine Anfrage 4091. In NRW ist für die Beantwortung einer kleinen Anfrage ein Zeitraum von vier Wochen vorgesehen. Bei Redaktionsschluss lag die Antwort der Landesregierung noch nicht vor.
Anm. 5: Vgl. Aktion „Freier Eintritt“: Kunsthalle Bielefeld will regelmäßig Gratismonat anbieten, Westfalen heute, 30.09.2015, Quelle: http://www.westfalen-heute.de/mitteilung.php?39209; Abfrage: 07.01.2016
Anm. 6: Freier Eintritt lockt Besucherscharen. Tobia Bezzola im Gespräch mit Gabi Wuttke, in: Deutschlandradio Kultur, 24.07.2015, in: http://www.deutschlandradiokultur.de/museum-folkwang-freier-eintritt-lockt-besucherscharen.1013.de.html?dram:article_id=326395; Abfrage: 07.01.2016; vgl. auch Freier Eintritt im Museum Folkwang bringt mehr Besucher, in: WDR, 19.09.2015, Quelle: www1.wdr.de/studio/essen/nrwinfos/nachrichten/studios137716.html; Abfrage: 07.01.2016

Dieser Beitrag wurde erstmals publiziert in "KulturBetrieb. Magazin für innovative und wirtschaftliche Lösungen in Museen, Bibliotheken und Archiven", eins 2016, S. 82-83.

Zum Magazin: http://www.kulturbetrieb-magazin.de/fileadmin/user_upload/kulturbetrieb-magazin/magazin/KulturBetrieb-2016-Ausgabe-1-Februar.pdf