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Freier Eintritt allein genügt nicht

Studie bietet Anregungen für mehr Attraktivität im Museum

Die Kosten für den Eintritt ins Museum sind ins Gerede gekommen. Seit geraumer Zeit setzen immer mehr Häuser und ihre Träger auf freien Zugang, um mehr Gäste zu gewinnen. Aber funktioniert das wirklich? Eine neue Studie aus Baden-Württemberg sagt „Ja, aber …“

»Null Eintritt = volles Haus!« Die Formel für Erfolg?

Die Zahlen scheinen es zu bestätigen: Knapp vier Wochen nach der Eröffnung des neuen Museums der Bayerischen Geschichte in Regensburg wurden bereits 150.000 Gäste gezählt. (Anm. 1) Liegt dies am kostenfreien Zugang? Vielgenanntes Paradebeispiel ist das Museum Folkwang. Seit 2015 ist der Eintritt zur Dauerausstellung in dem Essener Haus kostenfrei. Während 2014 dort `nur´ knapp 37.000 Besuche gezählt wurden, sind es im Jahr 2018 bereits 106.000 gewesen. „Insbesondere bei der wichtigen Zielgruppe der Erstbesucher im Alter von 16 bis 34 Jahren bestätigten zuletzt 45 Prozent, dass der freie Eintritt ausschlaggebend für den Besuch war.“ Das Projekt ist bis Sommer 2020 befristet. Die entgangenen Einnahmen werden von der Krupp-Stiftung gegenfinanziert. (Anm. 2) Auch im Dortmunder U heißt es seit dem 1. Januar 2019 „Eintritt frei!“ Das erklärte Ziel der Stadt ist es, künftig höhere Besucherzahlen zu erreichen. (Anm. 3) Während aus Dortmund noch keine konkreten Zahlen vorliegen, weiß man im Potsdam Museum bereits mehr. Dort war von Mai bis Juli 2018 der Eintritt frei. In diesem Zeitraum verbuchte das Haus 70 Prozent mehr Besucher. Dennoch erkennt Museumsleiterin Jutta Götzmann, „dass man auch nach dieser Testphase einem wesentlichen Ziel des Museums noch nicht nähergekommen sei: der Erschließung sogenannter museumsferner Schichten. Diese, so Götzmanns Fazit, würden auch mit freiem Eintritt nicht oder eher selten angesprochen. „Hierzu“, sagt sie, „sind gezielte Vermittlungsprogramme – speziell für Schulen – notwendig.“ Auch gibt sie zu bedenken, dass der große Zuwachs von 70 Prozent nicht unbedingt die dauerhafte Entwicklung abzeichnet, sollte die Dauerausstellung künftig ohne Eintritt bleiben. Eine Kollegin vom Landesmuseum Württemberg habe von einem Besucheranstieg von 500 Prozent im ersten Monat berichtet – fünf Monate später war der Zuwachs auf fünf Prozent gesunken. (Anm. 4)

Welche Auswirkungen sind zu beobachten?

Das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg wollte es genauer wissen und hat eine „Evaluation des freien Eintritts in Dauerausstellungen für die baden-württembergischen Landesmuseen und das ZKM | Zentrum für Kunst und Medien Karlsruhe“ in Auftrag gegeben. (Anm. 5) Damit sollte festgestellt werden, ob neue Besuchergruppen, vor allem jüngere Personen und Personen aus „bildungsfernen Milieus“ erreicht werden? Gegenstand der Untersuchung waren zwei Häuser in Stuttgart, zwei in Karlsruhe und eines in Mannheim. Dabei wurde zwischen drei Aspekten unterschieden: a) Perspektive Literatur und Forschungsstand, b) Museen und c) Besucher. Die Befragung der Museumsgäste sind im Sommer 2018 durchgeführt worden. In Forschungsbreite und -tiefe gilt die Studie (229 Seiten) als bislang einzigartig in Deutschland. Zu den einzelnen Themen werden positive wie negative Effekte beschrieben. Hier eine Auswahl:

• Eintrittspreis als Barriere: „Eintrittspreis wird in Studien als Barriere für Museumsbesuche genannt; häufig von Jüngeren und Geringverdienern; Eintrittspreis zeigt sich in Studien als nachrangige Barriere (wichtiger u.a. kein Interesse, Zeitmangel, fehlendes Angebot); qualitative Befragungen zeigen, dass Preis als Barriere auch vorgeschoben wird.“
• Effekte auf Besuchszahlen: „Bei freiem Eintritt steigen in vielen, aber nicht in allen Fällen die Besuchszahlen; Besuchszahlen entwickeln sich unterschiedlich: z.B. schnelle Steigerung nach Einführung (Attraktionseffekt) oder langsame und langfristige Steigerung.“
• Effekte auf Besucherstrukturen: „Bei freiem Eintritt kommen mehr jüngere Besucher und Wiederholungsbesucher; freier Eintritt ermöglicht Kurzbesuche und unkompliziertere Besuche – es ist davon auszugehen, dass freier Eintritt v.a. bereits grundsätzlich interessiertes Publikum anspricht; positive Wirkung auf sozial Benachteiligte / Bildungsferne konnte bisher nicht nachgewiesen werden.“
• Kosten / Finanzierung: „Ausfall von Eintrittseinnahmen; Mehrkosten bei höherem Besucheraufkommen; keine Kompensation durch Sekundärausgaben (Gastronomie / Shop) oder Spenden der Besucher; bei Rückkehr zu Eintrittspreisen nach freiem Eintritt sehr hoher Besucherrückgang zu erwarten.“
• Wertschätzung: „Mangelnde Wertschätzung des kostenfreien Museumsangebots („Was nichts kostet, ist nichts wert“) nicht nachgewiesen.“ (Anm. 6)

Fazit

Insgesamt kommt die Studie zu dem Ergebnis, dass „freier Eintritt in Museen kein pauschal geeignetes Mittel ist, um mehr Menschen bzw. klassische Nicht-Besucher anzusprechen. (…) Wie gut das Angebot von der Bevölkerung angenommen wird, ist sehr unterschiedlich. Für einige Museen funktionierte freier Eintritt besser als für andere. Zudem gab es große Unterschiede bei den Altersgruppen der Besucher und bei der Art der Besuchergruppen. Vorhersehbar scheint das Studienergebnis, dass die Erwartungen der Besucher an die Ausstellungsprogramme, an die Vermittlung von Inhalten, an gebotenen Service oder an besucherfreundliche Öffnungszeiten mindestens ebenso wichtig sind, wie der freie Eintritt an sich. Die Studie zeigte in einigen Fällen, dass freier Eintritt nicht ausschlaggebend für einen Museumsbesuch ist, wenn:
• das Ausstellungsprogramm nicht auf Interesse stößt,
• Inhalte nicht ansprechend vermittelt werden,
• die Infrastruktur der Einrichtungen nicht ansprechend ist und
• die Öffnungszeiten nicht mit dem Alltag der Menschen vereinbar sind.“ (Anm. 7)

Erwartungen der Zielgruppen analysieren

Der freie Eintritt in Museen scheint nur effektiv „in Verbindung mit anderen Maßnahmen, etwa mit besucherorientierten Öffnungszeiten. Denn auch wenn die Eintrittspreise oft als Grund genannt werden, nicht ins Museum zu gehen, sind sie häufig zweitrangig bei der Entscheidung, wie bei der Vorstellung der Studienergebnisse in der letzten Woche deutlich wurde. Für einen Museumsbesuch sind andere Kriterien ausschlaggebend, beispielsweise organisatorische wie besuchergerechte Öffnungszeiten, gute Erreichbarkeit, das persönliche Zeitbudget der Besucher oder inhaltliche Kriterien wie attraktive Ausstellungen und zeitgemäße Vermittlungsangebote. Für die vielfältige, oft nicht leicht zu vergleichende Museumslandschaft bietet die Studie allerlei Hinweise und Anregungen, jeweils geeignete Maßnahmen zu erarbeiten.“ (Anm. 8)

Anm. 1: Vgl. Haus der Bayerischen Geschichte, 26.06.2019; Quelle: https://www.museum.bayern/nc/presse/pressemeldungen/ansicht/news/detail/News/23-tage-museum-in-regensburg-150000-besucherinnen-und-besucher-stroemen-in-das-neue-haus-an-der-don.html; Abfrage: 26.07.2019
Anm. 2: Noch bis Sommer 2020 Eintritt frei: Museum Folkwang vervielfacht Besucherzahl, in: Ruhr Nachrichten, 18.02.2019; Quelle: https://www.ruhrnachrichten.de/nachrichten/noch-bis-sommer-2020-eintritt-frei-museum-folkwang-vervielfacht-besucherzahl-1376851.html; Abfrage: 26.07.2019
Anm. 3: Vgl. Berthold Schmitt, Schwellenangst runter, Gästezahlen rauf? Museen der Stadt Dortmund seit 2019 kostenfrei, in: KulturBetrieb, eins 2019, S. 56 f.
Anm. 4: Lena Schneider, Siebzig Prozent mehr Besucher, in: Potsdamer Neueste Nachrichten, 07.09.2018; Quelle: https://www.pnn.de/kultur/potsdam-museum-zieht-bilanz-zum-pilotprojekt-siebzig-prozent-mehr-besucher-/23011422.html; Abfrage: 29.07.2019
Anm. 5: Nora Wegner und Tom Schößler, Evaluation des freien Eintritts in Dauerausstellungen für die baden-württembergischen Landesmuseen und das ZKM | Zentrum für Kunst und Medien Karlsruhe. Im Auftrag des Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg, Karlsruhe 2019; Quelle: https://mwk.baden-wuerttemberg.de/fileadmin/redaktion/m-mwk/intern/dateien/Anlagen_PM/2019/Evaluationsbericht-freier-Eintritt-Landesmuseen_MWK-BW-2019.pdf; Abfrage: 26.07.2019
Anm. 6: Ebd., S. 4 f.
Anm. 7: Angelika Schoder, Warum freier Eintritt im Museum nicht die Lösung ist, mehr über Nicht-Besucher und GLAM-Bots, in: mus.er.me.ku, 25.06.2019; Quelle: musermeku.org/nicht-newsletter-40-06-2019/ ; Abfrage: 29.07.2019
Anm. 8: Museen und der freie Eintritt, in: kultuimweb.net, Newsletter 24/2019, 12.06.2019; Quelle: kulturimweb.net/2019/06/12/newsletter-12-juni-2019/ ; Abfrage: 29.07.2019

Dieser Beitrag wurde erstmals publiziert in KulturBetrieb, zwei 2019, S. 46 f.